Phantomwolken - Antwort der Niedersächsischen Landesregierung

Spezial, 22.06.2006

Kleine Anfrage mit Antwort Wortlaut der Kleinen Anfrage

Kleine Anfrage mit Antwort

Wortlaut der Kleinen Anfrage
des Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE), eingegangen am 04.04.2006
Mysteriöse Wetterphänomene über Norddeutschland - Drohen Gefährdungen für Mensch und Umwelt durch womöglich militärische Experimente?

Verschiedene seriöse Medien berichteten vor kurzem über mysteriöse Phänomene am Himmel über Norddeutschland. So sei bereits im letzten Jahr im Juli auf verschiedenen Radarschirmen von unterschiedlichen Wetterstationen eine scheinbare Wolke auf einer Länge von bis zu 400 km registriert worden, obwohl es weder regnete noch der Himmel bedeckt war. Das nicht erklärbare Radarphänomen hat sich Ende März 2006 wiederholt. Die deutschen Meteorologen stehen vor einem Rätsel. So sagt beispielsweise Karsten Brandt, Meteorologe und Geschäftsführer beim Wetterdienst „Donnerwetter“ in Bonn: „Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu.“ Gemeinsam mit Wetterexperten aus Deutschland und den Niederlanden ist sich Brandt einig, dass es für „die Erscheinung“ keine natürliche Erklärung wie Vogelflug oder Kerosin aus Flugzeugen gibt. Ebenso kann eine Fehlmessung der Radaranlagen ausgeschlossen werden, da verschiedene Aufnahmen unabhängig voneinander die gleichen Bilder in den Niederlanden, Emden und Hannover gemacht haben. „Donnerwetter“ hat Strafanzeige gegen Unbekannt wegen großflächiger Umweltverschmutzung und Irreführung der Öffentlichkeit gestellt.

Meteorologen aus dem ganzen Bundesgebiet vermuten hinter den Erscheinungen militärische Experimente. So geht Jörg Asmus, Meteorologe am Deutschen Wetterdienst in Offenbach, davon aus, dass Militärs entweder Wetterveränderungen induzieren wollen oder aber terroristische Anschläge simulieren (vgl. DER SPIEGEL 13/2006 - 27. März). Auch Physiker vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen sowie Geowissenschaftler der Bundeswehr kommen zu dem Ergebnis, dass Teilchen in die Atmosphäre ausgebracht wurden, um den Niederschlagsradar zu stören. In der Fachbehörde des Umweltbundesamts nimmt man das Phänomen ernst. Neben den rechtlichen Fragen, welche Behörde diese Experimente erlaubt und nach welchen einschlägigen Normen hier gehandelt wurde bzw. ob überhaupt eine rechtliche Genehmigung existiert, stellen sich umwelt- und gesundheitspolitische Fragen.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat sie über die berichteten Phänomene über Norddeutschland?

2. Wie werden diese bewertet bzw. erklärt?

3. Teilt die Landesregierung die Einschätzung von Meteorologen, Geologen und Physikern, dass es sich bei den unerklärbaren Wetterphänomenen bzw. Radaraufzeichnungen um militärische Experimente handeln muss, da ansonsten keine seriöse Erklärung dafür zu finden ist?

4. Hat die Landesregierung Kenntnisse über entsprechende militärische Versuche über Norddeutschland mit dem Ziel der Terrorabwehr oder der Wetterbeeinflussung?

5. Ist zu befürchten, dass von diesen Versuchen gesundheitliche oder sonstige Gefahren für Menschen und Natur ausgehen?

6. Welche Landesbehörde ist bzw. wäre für die Benachrichtigung über entsprechende militärische Versuche verantwortlich?

7. Nach welchen einschlägigen Normen sind solche Experimente erlaubt?


(An die Staatskanzlei übersandt am 10.04.2006 - II/721 - 506)


Antwort der Landesregierung
Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 24.05.2006
für Inneres und Sport
- 53.01-30309-02 -

Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:
Nach den vorliegenden Informationen sind weder im Ministerium für Inneres und Sport noch in den anderen beteiligten Ressorts (MS, ML, MU) Kenntnisse zur Beantwortung der an die Landesregierung gerichteten Fragen vorhanden. Aus diesem Grund wurde zur Klärung der Thematik eine entsprechende Bitte um Auskunft zu den gestellten Fragen an das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) gerichtet. Das Parlaments- und Kabinettreferat des BMVg hat mit Schreiben vom 28.04.2006 die Fragen wie folgt beantwortet:

Zu 1:

Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) hat keine Kenntnisse über die berichteten Phänomene. Dem BMVg stehen vom ersten in Frage kommenden Phänomen im Juli 2005 aufgrund der vorgegebenen Aufbewahrungsfristen und der eingesetzten Sensorik keine Aufzeichnungen zur Verfügung. Zum fraglichen Zeitpunkt wurden im betroffenen Bereich keine nationalen Luftwaffenübungen, taktische Überprüfungen oder ähnliche fliegerische Tätigkeiten durchgeführt. Nach einer Untersuchung von Radaraufzeichnungen der Luftwaffe wurde festgestellt, dass Ende März 2006 in der Nacht vom 22. auf den 23.03.2006 ca. 1 Stunde vor Auftreten des Phänomens im Niederländischen Luftraum eine Luftkampfübung stattfand. Die Aufzeichnungen belegen, dass dabei sehr geringe Mengen von Düppeln ausgebracht wurden, welche sich jedoch nachweislich nach ca. 1 Stunde und 10 Minuten wieder aufgelöst hatten.

Zu 2:

Die Möglichkeit der Verursachung eines solchen Phänomens in der beschriebenen Größenordnung durch aktive elektromagnetische Strahlung kann aufgrund der physikalischen Zusammenhänge grundsätzlich ausgeschlossen werden. Nur das Ausbringen sehr spezifischer Düppel in erheblicher Menge (im Bereich mehrerer Tonnen) könnte ein derartiges Phänomen generieren. Durch die Selbstschutzanlagen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr sowie auch alliierter Streitkräfte wird im Rahmen von Luftkampfübungen jedoch nur ein Bruchteil dieser Menge ausgestoßen. Die Luftwaffe verfügt über keine elektronischen Stör- oder Täuschverfahren, die ein Phänomen dieser Dimension bei gleichzeitig eng begrenzter Auswirkung auf einen spezifischen Sensor verursachen könnten. Auf der Grundlage der hier vorliegenden Informationen kommen fliegende Systeme der Bundeswehr als möglicher Verursacher der Wolkenphänomene nicht in Frage.

Zu 3:

Die Bundeswehr führt keine Experimente durch, die ein solches Phänomen hervorrufen könnte.

Zu 4:

Die Bundeswehr führt keine militärischen Versuche mit dem Ziel der Terrorabwehr oder zur Wetterbeeinflussung durch.

Zu 5 bis 7:

Siehe Antworten zu 3 und 4.

 
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