Vom harmlosen Bach zum reißenden Fluss

Klima, 06.06.2016

Wer ist schuld an überfluteten Straßen und vollgelaufenen Kellern? Und warum häufen sich die Ereignisse?

Zum dritten Mal innerhalb von nur sechs Jahren ist der Mehlemer Bach nahe Bonn am vergangenen Wochenende über die Ufer getreten und hat in der Region für einen Ausnahmezustand gesorgt. Keller und Wohnungen liefen voll, Straßen wurden unterspült, Brücken zerstört und Menschen mussten evakuiert werden.

Binnen weniger als zwei Stunden fielen in der Region bis zu 100 l/m² Niederschlag - auf über 160 cm stieg der Rinnsal, dessen Pegel meist zwischen 10 und 20 cm liegt, daraufhin in kürzester Zeit an.

Pegel des Mehlemer Bachs am vergangenen Samstag.
Quelle: LANUV NRW

 

Mehlemer Bach am 04.06.2016

Was bis vor wenigen Jahren eine Seltenheit war, wird nun immer mehr zur Gewohnheit. Und der vermeintlich Schuldige ist in Person des Klimawandels schnell gefunden. Doch wer die alleinige Schuld dem Klimawandel zuschiebt, macht es sich zu einfach.

Während die Frequenz (Häufigkeit) der Starkregenereignisse im Lauf der vergangenen Jahrzehnte konstant geblieben ist, zeigen Messungen, dass die Intensität der Ereignisse hingegen leicht zugenommen hat. Zwar erscheint dies zunächst als plausible Erklärung, doch mehr als eine Teilschuld fällt dem Klimawandel in diesem Fall nicht zu. Zu gering sind die Veränderungen der natürlichen Parameter, um alleine die beobachtete Häufung der Katastrophenereignisse erklären zu können.

Leichte Zunahme der Intensität von Starkniederschlägen

 

Viel mehr muss bei der Ursachenforschung auch der Mensch als Gestalter des Raumes und der Landschaft in den Vordergrund rücken. Täglich werden in Deutschland über 70 Hektar Fläche versiegelt. Dazu kommen Agrarfolien, begradigte Bach- und Flussläufe sowie intensive Grünlandwirtschaft. Dadurch wird die Natur ihres natürlichen "Airbags" beraubt. Anstatt langsam zu versickern, fließen die Wassermassen in hoher Geschwindigkeit oberflächennah ab

Grünland verfügt nur über eine wesentlich geringere Speicherkapazität als beispielsweise Buchenwälder

 

Doch so offensichtlich die Versäumnisse vielerorts auch sind, die Lösung ist es in den seltensten Fällen. Wirtschaftliche Interessen und der Anspruch auf die freie Gestaltung des Privatgrundstücks stehen einem zielführenden Wasser- und Flächenmanagement oftmals im Weg. Stattdessen verzichtet man häufig vollständig auf vorbeugende Maßnahmen und setzt ausschließlich auf die Bekämpfung der Symptome. Doch dadurch werden nicht nur Unmengen Geldmittel verschlungen. Auch zukünftige Ereignisse lassen sich auf diese Weise nicht verhindern.

 

Nur wenn endlich Eigeninteressen dem Allgemeinwohl untergeordnet werden, besteht die Chance durch nachhaltiges Flächen- und Wassermanagement, eine langfristige Verbesserung und Entspannung der Lage zu erreichen.

Inwiefern ein solcher, nicht unerheblicher, finanzieller Aufwand lohnenswert ist, ist dabei die entscheidende Frage, die von Bevölkerung und Politik beantwortet werden muss. Sicher ist nur: der nächste Starkregen kommt so oder so. Welches Zerstörungspotential er aber mit sich bringt, können wir zumindest teilweise mitbestimmen.

Gerade fertig und schon wieder hinüber: Misslungene Bachbettsanierung am Mehlemer Bach

 

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