Pille rein, emsig sein?

Fit bei jedem Wetter, 14.09.2015

Wie zunächst scheinbar harmloses Hirndoping am Arbeitsplatz in einem medikamentösen Teufelskreis enden kann.

In regelmäßigen Abständen streiten Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Daseinsberechtigung des 8-Stunden-Tages.

Eingeführt wurde er vor fast 100 Jahren und sollte damals dem Arbeitnehmer dabei helfen, die Arbeits-, Freizeit- und Schlafenszeiten miteinander zu vereinbaren.

Diese Idee findet sich auch heute noch in Paragraf 3 des Arbeitsgesetzes. Doch seit Jahren argumentieren Arbeitgeber, dass diese Form der Arbeitszeitrichtlinie nicht mehr zeitgemäß sei.

Demnach haben sich in den letzten Jahrzehnten die Anforderungen der Wirtschaft an den Arbeitnehmer verändert und eine Umstellung auf eine wöchentliche Arbeitszeit würde dem Wunsch nach mehr Flexibilität seitens der Wirtschaft entgegenkommen.

Bild: Marcel Lentz

In manchen Fällen scheinen die Anforderungen der Wirtschaft an den Einzelnen aber bereits so stark gestiegen zu sein, dass die Einnahme leistungssteigernder Medikamente notwendig zu sein scheint. Nach der Devise "„Wer weiterkommen will, muss effizienter arbeiten“", versprechen diese Medikamente mehr Konzentrations- und Leistungsfähigkeit und sollen dadurch helfen, den Stress schneller und fokussierter zu bewältigen.

Ziel ist es, die biologischen Barrieren, die dem Menschen gesetzt sind, aufzubrechen und das menschliche Gehirn, z. B. durch die Einnahme von sogenannten Nootropika oder Ritalin, zu Höchstleistungen zu trainieren.

Diese Form der Manipulation der menschlichen Biologie nennt sich „Biohacking“.

Studien der DAK zeigen, dass die Zahl der Arbeitnehmer, die bereits verschreibungspflichtige Medikamente zur Steigerung der Arbeitsleistung missbraucht hat, in den letzten Jahren auf knapp 7 % gestiegen ist. Die Dunkelziffer liegt vermutlich noch deutlich höher.

Problematisch sind vor allem die langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit - die bisher kaum erforscht sind - sowie die Nebenwirkungen. Die Wirkung der Medikamente beschränkt sich nämlich nicht nur auf die Verbesserung der Konzentrations- und Leistungsfähigkeit; Schlafstörungen und Nervosität gehören ebenso zu den bekannten Auswirkungen.

Schlafmangel führt dann wiederum einerseits zu einer geringeren Arbeitsleistung und erhöht andererseits das Risiko für Erkrankungen und Infektionen. Versucht man nun die Schlafstörungen durch die Einnahme von Schlafmitteln in den Griff zu bekommen, befindet man sich längst in einem medikamentösen Teufelskreis.

Vor diesem Hintergrund wird besonders deutlich sichtbar, wie sensibel das Thema Arbeitszeitrichtlinien heutzutage ist. Aus Sicht des Arbeitnehmers ist eine Umstellung auf eine wöchentlich geregelte Arbeitszeit nur dann wünschenswert, wenn dadurch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gewährleistet wird und zeitgleich der Leistungsdruck im Beruf nicht deutlich zunimmt.

Außerdem zeigt die Studie der DAK, dass vor allem Arbeitnehmer in unsicheren und befristeten Arbeitsverhältnissen anfällig für Hirndoping sind. Unter diesem Gesichtspunkt muss auch der Trend zu einer Zunahme befristeter Arbeitsverhältnisse sehr kritisch gesehen werden.

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